Frauenprotest in der Rosenstraße
1.000 Frauen gegen Goebbels
Als 1943 Tausende jüdische Männer deportiert werden sollen, versammeln sich ihre Ehefrauen in der Rosenstraße. Tag und Nacht protestieren sie: bis zur Freilassung ihrer Männer. Von Felina Czycykowski
8. März 2023. Es ist ein kalter Tag. Der Wind kriecht in alle Winkel des Scheunenviertel Berlins. In den Szenecafés schlürfen Touris ihren Café au lait. Alles ist modernisiert, très chic. Nur wenig erinnert heute noch an das Armutsviertel Berlins im 20. Jahrhundert. Wer die Auguststraße – früher „Armenstraße“ – entlang flaniert, findet viele jüdische Einrichtungen: ein jüdisches Krankenhaus, eine jüdische Mädchenschule, im Hintergrund die goldene Kuppel.
„Denn sie wussten, was sie taten“
Das Wetter gleicht dem vor 80 Jahren. Unter ähnlichen Bedingungen protestieren in der ersten Märzwoche 1943 zeitweise bis zu 200 Frauen gleichzeitig – und Tausend Frauen insgesamt - in der Berliner Rosenstraße. Mit Sprechchören, viel Mut und einem unerschütterlichen Willen auf der Straße zu bleiben, fordern Sie das diktatorische Regime rund um Gauleiter Joseph Goebbels heraus. So schildert es Monika Kleiner, Historikerin und Stadtführerin.
„Gebt uns unsere Männer wieder!“
Es ist der Abend des 27. Februar 1943. SS und Gestapo jagen die letzten in Berlin lebenden Juden. Jüdische Männer mit nicht-jüdischen Ehefrauen werden zur Rosenstraße transportiert. So wie sich das Sammellager, ein ehemaliges Wohlfahrtsamt der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2-4, mit jüdischen Männern füllt, wächst auch die Menge der Angehörigen um das Gebäude. Einige Frauen haben kleine Kinder dabei. Erste Rufe sind zu vernehmen, berichten Zeitzeuginnen. Erst zaghaft, dann lauter: „Gebt uns unsere Männer wieder!“. Hunderte Frauen stimmen mit ein. Eine Woche lang wird man die Frauen nicht von der Straße bekommen. Und dass, obwohl jede öffentliche Versammlung im Krieg verboten ist, sagt Monika Kleiner.
Mythos oder Wirklichkeit?
Ein Denkmal erinnert heute an den Frauenprotest. Monika Kleiner bietet regelmäßig Führungen durch das historische Berlin an. Ihr ist es wichtig, den Mut der Frauen hervorzuheben.
„Die Frauen waren sich ihrer Gefährdung bewusst, die es auch sicherlich gegeben hat. Es war eher die lokale Polizei, die moderat gehandelt hat. Es gibt in Berichten auch Behauptungen, es seien Maschinengewehre aufgerichtet worden – was sich nicht halten lässt. Da ist mythologisierend, soll es dramatischer machen. Das haben die Frauen nicht nötig. Die Frauen waren doch schon mutig genug.“
J. Baumann ist eine der Interessierten, die an diesem grauen Tag in die Rosenstraße gekommen sind, um sich über den Frauenprotest zu informieren. Sie findet klare Worte:
Rund 7.000 Verhaftete allein aus Berlin werden in den kommenden Tagen nach Auschwitz deportiert, doch die jüdischen Angehörigen aus der Rosenstraße werden nach und nach entlassen. Wegen des Protests der Frauen?
Vermutlich nicht, sagt Monika Kleiner. Wahrscheinlicher sei, dass sie ohnehin nicht deportiert werden sollten. Die Verhaftung der jüdischen Männer diente angeblich der Überprüfung ihres Status. Doch das konnten die protestierenden Frauen in der Rosenstraße nicht wissen. Sie harrten trotz großer Gefahr bei eisigen Temperaturen mehrere Tage aus.
Vermutlich nicht, sagt Monika Kleiner. Wahrscheinlicher sei, dass sie ohnehin nicht deportiert werden sollten. Die Verhaftung der jüdischen Männer diente angeblich der Überprüfung ihres Status. Doch das konnten die protestierenden Frauen in der Rosenstraße nicht wissen. Sie harrten trotz großer Gefahr bei eisigen Temperaturen mehrere Tage aus.
Und die Bedeutung des Frauenprotest schmälert das keineswegs: denn in der zwölfjährigen NS-Diktatur gibt es kein vergleichbares Ereignis zivilen Protests einer größeren Gruppe in der Öffentlichkeit. Und das über mehrere Tage verteilt, sagt Monika Kleiner.
Ein Zeitzeuge erinnert sich. Auch er nimmt an der Führung teil, möchte aber anonym bleiben:
„Ich kannte eine Frau, die hier protestiert hat. Sie hat mir davon erzählt. Es gab auch Sprechchöre von den Frauen, das ist auch überliefert. Und dann wurden sie von der Polizei beruhigt worden. Und die Männer sind tatsächlich frei gelassen worden. Und Gott sei Dank konnte dieses Ehepaar bis zum Ende des Krieges mit ihrem Kind unbehelligt wohnen. Obwohl der Mann Zwangsarbeiter war.“
Der Frauenprotest der Rosenstraße ist ein Beweis dafür, dass die Kraft des zivilen Ungehorsams die Gewalt der Diktatur bezwingen kann. Die Frauen sind namenlose Heldinnen. Aber sie stehen in einer Tradition anderer - teils sehr namhafter Aktivistinnen. Einige von ihnen sind in dieser unvollständigen Liste zusammengefasst: