Queere Staatsfeindin
Reginas Kampf für die Menschenwürde
Homophobe Hass-Kampagnen
Gesetze gegen queere Menschen in Russland
Plötzlich Aktivistin
Wahrgenommen als Aktivistin und Menschenrechtlerin habe ich mich zum ersten Mal, als ich ein Sportfest für queere Menschen mitorganisiert habe. Diese Aktion hat ein großes Medienecho verursacht. Davor habe ich kleine Treffen, mal ein Picknick, mal eine Selbsthilfegruppe veranstaltet.
Wir haben die Veranstaltung für September 2015 geplant, ohne zu wissen, dass kurz davor das internationale Wirtschaftsforum-Ost in Wladiwostok stattfindet. Die Medien haben unsere Veranstaltung als Provokation dargestellt und plötzlich haben alle über uns geschrieben und geredet. Irgendjemand startete eine Petition gegen uns.
Leuchtturm für queere Menschen
Majak
Im Visier des Staates
Es gab Zeiten, in denen ich panische Angst hatte. Ich dachte, dass das „Zentrum E” (Zentrum zur Extremismusbekämpfung - red.) mich überwacht. Vielleicht war das wirklich so. Ich habe das immer wieder mit meiner Psychotherapeutin besprochen. Irgendwann war für mich glasklar: ich werde trotzdem nicht aufhören. Ich habe mir selbst gesagt: Regina, ja, es gibt Risiken, bist du bereit diese in Kauf zu nehmen? Ja, es wird unangenehm, du muss dich mit der Polizei auseinandersetzen, wirst wahrscheinlich irgendwann verhaftet. Ich habe mich für Aktivismus entschieden.
Als zum ersten Mal rund 30 Polizisten wie eine Verbrecherbande auf unser LGBTQ-Winterfest Anfang 2017 reinstürmten, waren wir alle trotzdem sehr erschrocken. Der nächste Überfall von der Polizei kam wenige Monate später. Wir wollten bei der 1. Mai-Demonstration mit Luftballons und Regenbogen-Schleifen mitlaufen. Am Treffpunkt warteten die Polizisten schon auf uns. Wir alle wurden in einen Gefangenentransporter geladen und zur Polizeistation gebracht. Die Polizisten wussten selbst nicht so genau, was sie mit uns tun sollten. Danach wurde ich immer wieder zum Verhör vorgeladen. Das hat mich trotzdem nicht demotiviert. Ich wusste: was ich tue, ist richtig.
„Sie geben Menschen ihre Würde zurück”
Ich denke, der Staat hat sich für uns interessiert, weil so viele Menschen uns gut fanden. Auf Konferenzen haben die allermeisten Besucher uns erlaubt, Fotos von ihnen zu machen und diese auf sozialen Medien zu veröffentlichen. Das hat uns sehr inspiriert, dass sie sich auch offen zeigen.
Auch wenn Menschen nicht mit Regenbogenflaggen mitmarschieren, in der Situation, wo jemand blutdürstig ist, unterstützen sie das nicht. Wir haben erlebt, wie Besucher zu uns mit ganz vielen Vorurteilen kommen und wie sich ihre Meinung über queere Menschen danach um 180 Grad ändert.
Mir ist in Erinnerung geblieben, wie eine Psychologin sich von der Bühne aus bei uns bedankt und gesagt hat: „Sie geben Menschen ihre Würde zurück.” In dem Moment war es für mich nochmal deutlicher, was wir eigentlich tun.
Aktivistin und Staatsfeindin
Ausländische Agenten in Russland
„Ich habe ein ganz anderes Weltbild”
Aktivistin zu sein ist meine Mission. Kennen Sie es, wenn etwas Ihrem Leben Sinn gibt? Der Aktivismus ist ein Teil von mir, der tatsächlich allgegenwärtig ist. Das bedeutet für mich auch, ich selbst zu sein und meinen Werten treu zu bleiben. Das sind Gewaltlosigkeit, Entwicklung und Akzeptanz aller Menschen. So schmerzhaft es auch sein kann, das ist mir wichtig. All die Schwierigkeiten haben mich und mein Team nur stärker gemacht.
Aktivismus hat mein Leben verändert. Früher dachte ich, alle, die gegen Putin sind, sind schlechte Menschen. Meine Welt war schwarz-weiß und alles, was mich beschäftigt hat, war die Frage, wofür ich einen Kredit aufnehmen könnte. Ich habe nun ein ganz anderes Weltbild. Ich bin überzeugt, dass unsere Arbeit richtig ist, und dass Russland sich ändern wird. Daran führt kein Weg vorbei.