Fit für die Straße

So werden Aktivisten ausgebildet


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Aktivistin ist kein Ausbildungsberuf. Um Anfängerinnen aber trotzdem zu zeigen, wie man Demos organisiert und Aufmerksamkeit schafft, gibt es Aktionstrainings - unter anderem bei der Tierschutzorganisation PETA. Steffen Lenhardt, viele Jahre Aktivist, jetzt Aktionskoordinator bei PETA, erzählt, was man dort lernt. Protokolliert von Marie Steffens
Herr Lenhardt, Sie sind Aktionskoordinator bei PETA, organisieren und koordinieren Aktionen deutschland- und europaweit. Sie wissen, wie man eine Demonstration organisiert und wollen das anderen beibringen. Wie kann man sich das vorstellen? Wie läuft so ein Aktionstraining ab?

Steffen Lenhardt: Bei PETA schulen wir nicht direkt die Aktivistinnen, sondern die ehrenamtlichen Streetteam-Leitungen. Das sind Menschen, die freiwillige, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer koordinieren. Sie werden zuerst in den einzelnen Themen, beispielsweise Ernährung, Ausbeutung von Tieren oder Leder und Pelz geschult. Da gibt es Vorträge von Fachreferenten. Dann geht es darum, wie man eine Demonstration organisiert, welche Aktionsbilder klar und eindeutig sind und unsere Botschaft am besten vermitteln. Beim Aktionstraining machen wir auch oft eine Aktion zusammen, um zu zeigen, wie man am besten Aktionsbilder macht und auch mit der Presse umgeht.

Klar: eindeutige Bilder, Presse einladen - was sollen Aktivistinnen ihrer Meinung nach noch alles bedenken, wenn sie eine Aktion planen?

S.L.: Man sollte schauen, welcher Ort am besten für die Aktion geeignet ist. Wenn man zum Beispiel gezielt gegen ein Unternehmen protestiert, dann sollte man sich auch davor platzieren. Damit man die richtigen Menschen erreicht. Wenn es eine allgemeine Info-Aktion ist, etwa zum Thema Milch, dann bieten sich belebte Plätze wie der Marienplatz in München an. Dann ist es auch wichtig, rechtzeitig zu mobilisieren, damit auch genug Menschen teilnehmen und gegebenenfalls auch die Presse einzuladen und auch Material wie Schilder, Kostüme, Flyer und Megafone zu bestellen.
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Bereiten Sie Aktivistinnen auch auf Gegenwind vor? Also z.B. Aggressionen, Provokationen oder gegensätzliche Meinungen?

S.L.: Auf jeden Fall. Wir sagen ihnen, dass die Aktionen immer bei der Polizei angemeldet sind, d.h. wenn es eine Art von Gegenwind gibt, man auch immer die Polizei rufen kann. Manchmal ist die Polizei auch während der ganzen Demo vor Ort. Zum Beispiel, wenn wir gegen Tiere im Zirkus demonstrieren, weil es dort teilweise schon zu schweren Körperverletzungen von Mitarbeitern des Zirkus gegen Tierschutzaktivisten kam. In der Innenstadt ist es meistens hilfreich, nicht konstruktive gegensätzliche Meinungen einfach zu ignorieren. Möglichst ruhig und freundlich bleiben. Und bei konstruktiven, gegensätzlichen Meinungen in die Diskussion zu gehen und sachlich zu bleiben, solange die Diskussion in einem guten Rahmen bleibt.

Sie waren auch lange Aktivist bei PETA. Was würden Sie denn Aktivistinnen raten, die gerade anfangen sich zu engagieren? 

S.L.: Das Wichtigste ist, dass sie sich trauen sollten, zu ihrer ersten Aktion zu gehen. Da hat man gleich direkten Kontakt und sieht: da passiert nichts Schlimmes. Man sollte sich auch selbst immer fragen, wie man aktiv werden will. Was sind meine eigenen Stärken? Was macht mir persönlich Spaß und wo kann ich mich am besten einbringen? Wenn die Form des Aktivismus nichts für einen ist, dann einfach zur nächsten Aktion gehen und schauen, ob der Aktivismus dort passender für mich ist. Oder: Kann ich etwas ganz anderes machen, etwas Neues?

Ab wann kann man sich dann als Aktivistin bezeichnen? Was macht eine Aktivistin für Sie aus?

S.L.: Es gibt viele Formen des Aktivismus. Es gibt Menschen, die aus verschiedenen Gründen körperlich ans Bett gebunden sind. Sie können sehr schwer auf die Straße kommen, aber trotzdem Petition unterzeichnen, online aktiv sein. Ich arbeite auch schon seit über zehn Jahren in veganen Restaurants. Ich finde das auch zum Teil aktivistisch, weil man da weiß: Jeden Abend essen 200 Menschen mal etwas Veganes. Man hat so auch etwas bewegt. Auch, wenn man eine besondere Stärke hat, zum Beispiel Torten backen, dann finde ich es auch aktivistisch zu sagen: “Hey, ich mach jetzt eine Torte für eine Aktion, die kann ich auf der Straße kostenlos verteilen.” Ich glaube, es ist eine Einstellungssache. Wenn ich etwas aus dem Grund tue, etwas Positives zu bewegen, dann kann ich mich als Aktivisten bezeichnen.

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