Frauen im Aktivismus
Wie es ist, als Frau im Aktivismus zu sein
Sie provozieren, blockieren und protestieren: Frauen setzten sich für ganz unterschiedliche Themen ein – in der Klimabewegung, im Tierschutz, Frauenrechtsbewegungen, aber auch in der Querdenken-Szene.
Dabei werden sie immer präsenter, sagt der Kulturwissenschaftler Peter Ullrich. „Es gab Zeiten, in denen es extrem mutig war als Frau eine herausgehobene Rolle zu übernehmen. Heute ist das relativ normal”. Frauen sind Gesichter von Protestbewegungen, werden zu Talkshows eingeladen und in politischen Debatten befragt. Aktivistinnen wie Greta Thunberg gelten als Vorbilder. In einer Studie von 2018 gaben etwa 40 Prozent der Menschen auf Fridays for Future-Demonstrationen an, dass die Schwedin sie in ihrem Aktivismus beeinflusst hat. Darunter auch viele Frauen - die Klimabewegung besteht zu einem großen Teil aus weiblichen und queeren Menschen.
Aber werden Aktivistinnen jetzt anders wahrgenommen oder behandelt, nur weil sie präsenter sind? Wie ist es heutzutage als Frau aktivistisch zu sein? Das verraten sechs Aktivistinnen, die sich für ganz unterschiedliche Dinge einsetzen.
„Mir hat noch niemand gesagt, du kannst das nicht, weil du eine Frau bist.“
„Wir leben im Patriarchat. Als Frau wirst du unterdrückt. Als Frau mit Behinderung noch mehr.“
Frauen mit Behinderung erleben laut einer Studie vom Bundesfrauenministerium im Jahr 2012 zwei bis drei Mal häufiger Gewalt als Frauen ohne Behinderung. Darauf will Kollodzieyski unter anderem mit ihrem Aktivismus aufmerksam machen.
Natürlich spielen Probleme, die die patriarchale Gesellschaft mit sich bringt, auch im Aktivismus eine Rolle, so der Kulturwissenschaftler Peter Ullrich. „Es gibt weiterhin Probleme mit den klassischen Strukturen, mit männlichem Dominanzverhalten”. Männer hören sich Studien zufolge meist lieber reden, Aktivistinnen werden inhaltlich weniger ernst genommen und dann auf Körperlichkeit reduziert, so Ullrich.
Diesen Eindruck hat auch Anja Köhne. Sie engagiert sich bei Scientists For Future, die die globale Klimabewegung unterstützen. Bei der Organisation fühlt sie sich zwar gleichberechtigt, in der Öffentlichkeit sind Frauen im Aktivismus ihrer Meinung nach aber dennoch benachteiligt.
„Eine Frau, die sich als Aktivistin in die erste Reihe stellt oder auch nur medial in die Öffentlichkeit steht, zieht viele Sprüche auf sich.“
„Das Geschlecht schützt nicht davor, auch ein bisschen härter angegangen zu werden.“
„Es bedeutet mehr Workload und auch ein latent schlechtes Gewissen. Ein Gefühl nirgendwo, in keiner Front, genug zu sein.“
Luzie Heidemann fühlt sich oft schlecht gegenüber ihrem Kind. Dabei ist ihr Kind der Grund, warum sie überhaupt aktiv geworden ist. Sie möchte seine Zukunft verbessern. Dafür muss sich Heidemann häufig zwischen ihrer Mutterrolle und ihrem Aktivismus entscheiden. Zum Glück sei sie noch nicht in der Situation, in der sie sich zusätzlich noch um ihre Eltern kümmern muss. „Ich glaube, dann ginge es wirklich nicht mehr”, sagt sie.
So wie Luzie Heidemann, geht es auch anderen Frauen im Aktivismus, so Peter Ullrich, Kulturwissenschaftler. Das Rollenverständnis, dass Frauen sich mehr sorgen und mehr für andere einsetzen, sei auch im Aktivismus noch präsent und führe zu Problemen. Das würden progressive Bewegungen aber zumindest reflektieren und nach einer Lösung suchen.
Sabrina Kollmorgen ist ebenfalls Mutter. Auch ihr Engagement wirkte sich auf die Beziehung zwischen ihr und ihrem Sohn aus. Die 50-Jährige ist Querdenkerin und Mitglied der Partei „Die Basis”, ihr Sohn war davon überhaupt nicht begeistert. Spuckte sie sogar an. Das sei eine Belastung gewesen.
Ansonsten machte Kollmorgen aber viele positive Erfahrungen als Aktivistin. Sie fühlte sich nicht anders behandelt, hatte sogar eher das Gefühl, dass Frauen im Aktivismus häufiger vorne mitlaufen:
„Wenn ich mein eigenes Umfeld anschaue, sind Frauen doch schon mehr unterwegs und auch teilweise etwas mutiger.“
„Der Kampf, den Frauen führen, ist ein Kampf gegen Kriege. Kriege, die Männer führen.“
„Als erwachsene 40-jährige Frau ist es unwahrscheinlicher, Gewalt von der Polizei zu erfahren.“
„Wir sind für Menschen wie ein Spiegel, den sie brauchen, um zu verstehen, dass auch sie in Ordnung sind.“
„Es gab schon immer rebellische, gläubige Frauen. Mit der Aufdeckung der Missbrauchsfälle ist der Geduldsfaden vieler Frauen geplatzt. Sie sind sichtbarer geworden. Sie wollen mehr als Ehrenämter. Sie wollen dieses männliche, machtorientierte Kirchensystem nicht mehr mittragen.“